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fesa Energie: Rechtsform Genossenschaft bietet mehr Freiräume

Dr. Josef Petsch (links) und Gilbert Kümmerle vor der Bürowand mit Fotos von Solarprojekten der Energiegenossenschaft fesa Energie Geno eG.
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Ursprünglich gegründet von Atomkraftgegnern

Das Plakat zum Widerstand gegen das Atomkraftwerk in Wyhl gibt es seit 1982
Das Plakat zum Widerstand gegen das Atomkraftwer in Wyhl gibtr es seit 1982.

„Nai hämmer gsait“ – Der Widerstand gegen das Atomkraftwerk in Wyhl zeigte von den 1970ern bis in die 1990er Jahre Wirkung: Zum ersten und einzigen Mal verhinderten Bürger den Bau eines Atomkraftwerks. Im 30 Kilometer entfernten Freiburg gründete sich 1994 der Förderverein Energie- und Solaragentur Regio Freiburg (fesa) mit zahlreichen der „Nein-Sager“. „Ein Haufen von Aktivisten für erneuerbare Energien“ hat sich für „politischen Aktivismus gepaart mit klassischer Lobbyarbeit“ darin zusammengefunden, wie Dr. Josef Pesch, einer der beiden fesa-Vorstände, erklärt. Er selbst stieß 1998 dazu. „Menschen aus unterschiedlichen Ecken trafen sich im Verein – von wegen nur Ökos – auch wenn das Wort ,Spinner‘ schon eines der netteren war, das wir zu hören bekamen“, sagt der 57-Jährige. Exoten seien sie damals schon gewesen, da war erneuerbare Energie noch recht neu und keiner wusste so richtig damit umzugehen. Das Ziel des Vereins war es, eine Energieagentur zu gründen, um gemeinsam Solar-, Wind- und Wasserkraftanlagen zu betreiben und dadurch bessere Preise erzielen zu können – die Idee der heutigen Energiegenossenschaften. „Doch auf die Rechtsform der Genossenschaft kam damals noch keiner“, sagt Pesch. Heute hängt das Plakat „Nai hämmer gsait“ wie eine Gründungsurkunde an der Tür des fesa-Büros. Die erste Solaranlage mit 50 Kilowatt (kW) Leitung installierte der Verein auf dem Dach der Freiburger Druckerei Rombach, die zweite mit 100 kW auf der Südtribüne des Stadions des SC Freiburg. „Das hat ganz schön Schlagzeilen gemacht“, sagt Pesch. Er unterstützt das Gesagte mit großen Gesten. Er habe sofort gesehen, dass das mit den erneuerbaren Energien klappt und etwas Großes wird.

Vorteile der Genossenschaft gegenüber anderen Rechtsformen

Anfangs sei die Finanzierung schwierig gewesen, denn Banken kannten das Geschäftsmodell nicht. „Bis 2005/2006 gab es auch kaum institutionelle Investoren im Bereich der erneuerbaren Energien, es war damals eine rein bürgergetragene Bewegung“, sagt Pesch. „Wir wollten mit großen Energieversorgern zusammenarbeiten“, sagt Pesch, „aber die haben uns ausgelacht. Heute geben sie teilweise zu, bei den erneuerbaren Energien zu spät dran zu sein. “Bald war der Verein nicht mehr geeignet, um die vielen Projekte zu stemmen. Der Zusammenschluss aktiver Bürger wurde zur – nun verkürzten – fesa GmbH und in jedem neuen Projekt fanden sich die darin aktiven Bürger in einer GmbH & Co. KG zusammen und finanzierten das Projekt. Doch mit dieser Struktur verloren sie nach einer Zeit immer mehr Projekte an Investoren. „Wir waren zu träge, brauchten teilweise drei Monate, um einen Prospekt für ein Projekt zu erstellen“, sagt Pesch. Das war zu lang. Schon vorher arbeitete die fesa Energie mit der Energiegenossenschaft Mittelbaden zusammen. Bei einem Vortrag haben die beiden damaligen Vorstände das Genossenschaftsmodell dann aber in seiner Struktur erstmals richtig wahrgenommen. „Die Genossenschaft bietet uns Freiräume, damit wir am Markt schneller handeln können und sorgt dafür, dass wir das, was wir bisher schon erfolgreich getan haben, weitermachen können“, sagt der Vorstand, während er in dem kleinen Büro der Genossenschaft sitzt. An den Wänden hängen große gerahmte Bilder von den installierten Anlagen der fesa Energie und Plakate aus „Sturm-und-Drang“-Zeiten des ehemaligen Aktivisten. Für neue Projekte wird der Platz an den Wänden deutlich enger.

Auf die Gründungsmitglieder ist Verlass

Seit über vier Jahren firmiert fesa Energie nun in der Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft. Per E-Mail hatten die Geschäftsführer bei einem Anlagenprojekt mit der Größe 360 kW aufgerufen, eine Genossenschaft zu gründen. Acht bis neun Interessierte haben sich daraufhin gemeldet und wurden Gründungsmitglieder. „Das Genossenschaftsmodell passt hervorragend zu uns, wir wollen den Investoren nicht kampflos das Feld überlassen und auf diese Weise die Bürgerbeteiligung im Bereich der erneuerbaren Energien weiter vorantreiben“, sagt Pesch. Gilbert Kümmerle, der seit 2012 Vorstandskollege ist, stimmt ihm zu. Er war vorher schon als Kommanditist in der GmbH aktiv und hat sich sofort auf die Rundruf-E-Mails gemeldet, als es darum ging, die Genossenschaft zu gründen und später dann ein zweiter Vorstand gesucht wurde. Inzwischen hat die Genossenschaft 71 Mitglieder. „Aufnahmekriterium ist unter anderem die Erreichbarkeit per E-Mail“, sagt Pesch. Hinter ihm hängt ein Zettel mit einer selbst gezeichneten Schatztruhe. Der 57-Jährige lacht: „Die Schatztruhe erinnert uns daran, dass wir von den Mitgliedern schnell Geld einsammeln können.“ Um beispielsweise den Zuschlag für eine große Anlage mit 1 Megawatt Leistung zu bekommen, hat die Genossenschaft es per E-Mails innerhalb von einer Woche geschafft, Geld in Höhe rund einer halben Million Euro über Nachhangdarlehen einzusammeln.

Auch internationale Energieprojekte

Wenn Pesch über das Geschäft spricht, fliegen Wörter wie „Overheads“, „Hedging“, „Vollkostenrechnung“ oder Wahrscheinlichkeitsrechnung durch den kleinen Raum, in dem vier Schreibtische aneinander stehen – jeder aus anderem Holz, jeder in einer anderen Höhe. 75 Projekte im Solarbereich verwaltet die fesa derzeit. In Zukunft wünschen sich die Vorstände mehr Diversifizierung mit Wind- und Wasserkraft. Dabei ist die Genossenschaft nicht auf das Bundesland oder das Land begrenzt. In diesem Jahr erst konnte ein erstes deutsch-französisches, genossenschaftliches Solarprojekt gestartet werden. Vier Dachanlagen mit zusammen 400 Kilowatt Leistung konnte die fesa zusammen mit der Pariser Energiegenossenschaft Energies Partagées in Betrieb nehmen. „Der Projektentwickler kam auf uns zu und wir haben schnell gemerkt, dass wir dafür einen französischen Partner brauchen. Die Finanzierung läuft über eine französische Genossenschaftsbank. Sprachbarrieren und eine andere Gesetzgebung führten zu kleinen Anlaufschwierigkeiten, aber die sind längst vergessen. Ein weiteres Projekt ist in Planung. „Wir wollen uns nicht regional beschränken“, sagt Pesch, „wir waren schon immer innovativ und wenn wir ein spannendes Projekt kriegen können, dann greifen wir zu.“

Industrieprojekte lohnen sich

Die erste Ausschüttung der Genossenschaft lag bei zwei Prozent. „Wir haben den Mitgliedern gesagt, dass wir in den ersten Jahren erst einmal Anschub brauchen“, sagt Pesch. Die angestrebte Zielrendite liege bei vier Prozent. Die fesa-Vorstände gehen zwar davon aus, dass die Unsicherheit, wie es mit der Energiewende weitergeht, dazu führen wird, dass Solarprojekte deutlich schwieriger umzusetzen sein werden. Vor allem, wenn ab dem 1. Januar 2016 auch Anlagen mit einer Leistung ab 100 kW zur Direktvermarktung verpflichtet sein werden. Manchmal frage sich Pesch, ob die Energiewende überhaupt noch gewünscht sei. Doch das Geschäft der Genossenschaft sieht er keineswegs als bedroht an – auch wenn die EEG-Umlage steigt. „Wir setzen auf Industrieprojekte, denn Industrieanalgen können wir zu einem Preis anbieten, den kein großes Unternehmen unterbieten kann – und die Effizienz wird weiter steigen“, sagt der fesa-Vorstand. Die Genossenschaft übernimmt die Planung, Inbetriebnahme und Verwaltung der Anlage und das Unternehmen wird häufig Pächter. „Noch mehr Mittelständler werden das für sich entdecken“, ist sich Pesch sicher. Woher er seinen Antrieb nimmt? Da zeigt sich wieder ein wenig der Aktivist von damals: „Ich will die 100 Prozent bei den erneuerbaren Energien erreichen, weil wir sonst den Klimaschutz nicht in den Griff bekommen. Ich möchte meinen Nachkommen eine bessere Welt ermöglichen. Dabei gibt es für mich keine Diskussion.“

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