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Edelmetalle: Mythen und Fakten rund um Silber, Platin und Gold – ein Interview

Was beeinflusst die Preise von Gold, Silber und Platin?
Rainer Sturm / pixelio.de

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Max Holzer, Union Investment
Max Holzer, Leiter Relative Return im Bereich Multi Asset bei Union Investment: „Als Mittel, um Risiken im Portfolio ausgewogener  zu verteilen, kommt Gold unverändert eine wichtige Bedeutung zu.“

An den Edelmetallmärkten häufen sich Auffälligkeiten. Der Silberpreis sprang Anfang des Jahres 2021 un- vermittelt um 20 Prozent und Platin kletterte Mitte Februar auf ein Mehrjahreshoch. Gold hingegen hat seit dem Rekordhoch im August vergangenen Jahres deutlich nach unten korrigiert. Was beeinflusst die Preise – und was ist Gold, Silber und Platin noch zuzutrauen? Die Geno-Graph-Redaktion hat nachgefragt bei Max Holzer, Leiter Relative Return im Bereich Multi Asset bei Union Investment, und versucht dabei Fakten und Mythen zu trennen.

Herr Holzer, lassen Sie uns mit Silber beginnen. Der Silbermarkt steht im Ruf, leicht manipulierbar zu sein. Was sagen Sie dazu?

Erst Ende Januar legte der Silberpreis innerhalb von drei Tagen einen Kurssprung von 20 Prozent hin. Fundamental gab es dafür keinen besonderen Grund. Auf Social Media aktive Privatanleger wurden dafür verantwortlich gemacht. Sie sollen professionelle Investoren durch konzertierte Käufe gezwungen haben, ihre auf fallende Preise laufenden Positionen einzudecken und so den Silberpreis in die Höhe zu treiben.

Das klingt nach dem, was auch beim Börsengang von GameStop vermutet wurde?

Der Vergleich mit den Kurskapriolen bei US-Nebenwerten wie etwa GameStop, die von Social Media-Anlegerforen ausgingen, greift zu kurz. Fakt ist: Die Leerverkaufsquote im Silbermarkt war deutlich niedriger als etwa bei GameStop. Laut der Silberbörse Comex hatten Finanzinvestoren in Summe sogar mehr Terminkontrakte gekauft als verkauft. Mit einem Marktvolumen von schätzungsweise rund einer Billion US Dollar ist der Silbermarkt zu groß, um leicht manipulierbar zu sein. Am Silbermarkt herrschte aber zeitweise eine Knappheit an Münzen und Barren, weswegen Anleger bereit waren, für physisches Silber eine Prämie zu zahlen. Sie erwarben dazu börsengehandelte Silber-Fonds, Exchange Traded Funds, kurz ETFs, die ihrerseits das Edelmetall kaufen müssen. Kurzfristig kann dies den Silberpreis nach oben treiben.

Außerdem ist Silber ein wichtiger Rohstoff

Richtig, der größte Teil der Silberproduktion wird in industriellen Anwendungen eingesetzt. Weil Silber äußerst leitfähig ist, dient es beispielsweise in der Solarbranche als wichtiger Rohstoff. Sie macht rund ein Zehntel der Nachfrage aus. Für starken Rückenwind dürften Initiativen der Regierungen in China, den USA und Europa sorgen, welche die Energieversorgung umweltfreundlicher machen sollen. Einen kräftigen Nachfrageschub erwartet das US-amerikanische Silver Institute zudem durch den Einsatz von Silber im Automobilbau. Dort wird das Edelmetall etwa zur Steuerung beim Autonomen Fahren, aber auch für die Elektrik und für Ladestationen eingesetzt – Tendenz steigend.

Wie ist also Ihre Prognose für Silber?

Aktuell ist Silber fair bewertet, auch im Verhältnis zum Goldpreis. Eine weitere Nachfragebelebung könnte dem konjunktursensitiven Metall weiteren Auftrieb geben. Abgesehen vom Tempo der Konjunkturerholung wird der Silberpreis – ebenso wie der Goldpreis – stark von der Entwicklung der Realrenditen geprägt. Steigen die Realrenditen, also die Nominalzinsen nach Abzug der Inflation, würde dies den Silberpreis belasten.

Kommen wir zu Platin. Es steht im Ruf,  ein begehrtes und „grünes“ Metall zu sein. Mythos oder Fakt?

Platin ist das „grüne“ Metall par excellence. Etwa 40 Prozent der Nachfrage stammen aus der Autobranche, wo Platin in den Katalysatoren für Verbrennungsmotoren eingesetzt wird. Damit leistet es einen eminent wichtigen Beitrag zur Reduktion von Treibhausgasen. Schärfere Abgasgrenzwerte in Europa, China und den USA sind somit ein wichtiger Einflussfaktor. Platin hat überdies Aufholpotenzial als günstigeres Ersatzmetall. Es löst vermehrt Palladium oder Rhodium in Auto- und LKW-Katalysatoren ab. Dieser Prozess, vor allem aus Kostengründen angestoßen, setzt zum Beispiel in China und den USA gerade erst ein. Auch die Schmuckbranche verzeichnet zuletzt wieder ein deutlich höheres Interesse an Platin. Verantwortlich für die Kursrally war zudem eine robuste Nachfrage von Finanzinvestoren sowie eine temporäre Angebotsknappheit als Folge der Pandemie. Perspektivisch wird Platin unverzichtbar im Bereich der Brennstoffzellentechnik sein als Katalysator in der Elektrolyse. Das beflügelt natürlich die Fantasie der Anleger.

Wird Platin bei Brennstoffzellen irgendwann mehr sein als nur eine Fantasie

Die Erfolgsaussichten von Platin bei Brennstoffzellen sind noch offen. Derzeit kann nicht abschließend beurteilt werden, wie stark die weitere Entwicklung in diesem Markt die Platin-Nachfrage tatsächlich ankurbeln wird. Allerdings könnte der Preiseffekt beträchtlich ausfallen. Ein Beispiel hierfür ist das Industriemetall Nickel. Die Nachfrage nach Batterien mit hohem Nickelanteil ist durch die starken Verkaufszahlen des US-Elektroautoherstellers Tesla in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen und sorgte für eine Rally am Nickelmarkt.

Wie ist also Ihre Prognose für Platin?

Platin ist neben Palladium, das von vergleichbaren Markttrends profitieren dürfte, unser Favorit unter den Edelmetallen. Insgesamt wird aktuell weniger Platin produziert als gekauft. Dies macht weitere Preissteigerungen wahrscheinlich. Trotz der vorsichtigen Einschätzung hinsichtlich Brennstoffzellen halten wir das Edelmetall für attraktiv. Platin dürfte mittelfristig wertvoller werden als Gold. Dazu tragen auch Investitionsprogramme zum grünen Umbau der Wirtschaft sowie die weiterhin solide Investmentnachfrage bei.

Gold ist für viele Menschen eine perfekte Absicherung gegen Inflation. Mythos oder Fakt?

Oft wird übersehen, dass Gold weit mehr als nur ein möglicher Schutz gegen steigende Inflation ist. Es ist mit der Wertentwicklung anderer Vermögenswerte wie Aktien oder Anleihen wenig korreliert. Das erklärt seinen Ruf als „sicherer Hafen“, dem es während der Corona-Krise alle Ehre gemacht hat. Im historischen Rückblick hat Gold aber auch real, also nach Abzug der Inflation, seinen Wert erhalten können. Als Mittel, um Risiken im Portfolio ausgewogener zu verteilen, kommt Gold unverändert eine wichtige Bedeutung zu. So sind etwa die Notenbanken relevante Käufer geworden. Zuletzt schwächte sich ihre Nachfrage allerdings ab.

Auch Unternehmen setzen auf Gold als Anlage. So will der US-Elektroautobauer Tesla seine Barmittel besser diversifizieren und renditeträchtiger anlegen. Dazu investiert er unter anderem in Gold und Wertpapiere, die den Goldpreis abbilden, aber auch in Kryptowährungen. Letztere könnten perspektivisch zunehmend eine Rolle bei der Absicherung von Inflationsrisiken spielen.

Wird das in einem Wettbewerb zwischen Gold und Kryptowährungen enden? Und wer gewinnt?

In den vergangenen ein bis zwei Jahren hat sich die Kryptowährung Bitcoin als Alternative zu Gold bei der Absicherung gegen eine mögliche Geldentwertung angeboten. Für die Entwicklung des Goldpreises muss dies nicht unbedingt negativ sein. Es dürfte vielmehr zu taktischen Verschiebungen zwischen Gold- und Bitcoin-Anlagen kommen. Nach der rasanten Bitcoin-Rallye könnten Bestände aus der Kryptowährung wieder zurück in Gold umgeschichtet werden. Dies dürfte den Goldpreis mittelfristig unterstützen.

Wie ist dann Ihre Prognose, vor allem auch für den Goldpreis?

Als Krisenwährung ist Gold derzeit wenig gefragt. Durch Fortschritte bei den Impfkampagnen stehen die Zeichen auf Konjunkturbelebung. Dagegen konnte der Goldpreis kurzfristig von steigenden Inflationserwartungen profitieren, getrieben durch die Aussicht auf weitere Fiskalstimuli in den USA. Doch erwarten wir deshalb keinen substanziellen, sondern nur einen vorübergehenden Anstieg der Inflation. Entscheidend wird für den Goldpreis die Zins- und Inflationsentwicklung sein. Steigende Realzinsen würden Gold gegenüber Anleihen unattraktiv machen, da Gold keine Zinsen bietet und Lagerkosten anfallen. Eine anhaltend lockere Geldpolitik wirkt aber tendenziell unterstützend für den Goldpreis.

Wie lautet also Ihr Fazit für Edelmetalle als Anlagechance insgesamt?

Der Edelmetallmarkt bietet trotz bereits gestiegener Preise noch die ein oder andere Anlagechance. Insbesondere tragen dazu die Bestrebungen zum grünen Umbau der Wirtschaft bei. Entscheidend ist hierbei allerdings die Selektion. Wir favorisieren Palladium und Platin aufgrund einer beschleunigten Nachfrage aus dem Autosektor. Gold ist weiterhin als liquide alternative Anlage und Absicherung, insbesondere in einem Multi-Asset-Portfolio, wertvoll. Es wird in der Anlagestrategie unverändert als Mittel zur ausgewogeneren Verteilung der Risiken genutzt. Silber eignet sich vor allem zur taktischen Beimischung, da es immer wieder starke Kursausschläge aufweist, von denen aktive Anleger profitieren können.

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