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Genossenschaftliche Potenziale für eine erfolgreiche Energie- und Wärmewende

Energie- und Wärmewende
Ute Spatz

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Seit 2008 erfahren genossenschaftliche Konzepte zur dezentralen Energieversorung in Bürgerhand einen enormen Zuspruch. Derzeit gibt es in Baden-Württemberg 150 Energiegenossenschaften mit mehr als 49.000 Einzelmitgliedern. Ihre Einsatzgebiete reichen von der Erzeugung und Lieferung von Strom und Wärme über den Betrieb von Stromnetzen bis hin zur vollumfänglichen Energieversorgung vor Ort. Damit leistet die genossenschaftlich organisierte Bürgerenergie einen wichtigen Beitrag zur Transformation hin zu einer nachhaltigen, dezentralen Energie- und Wärmeinfrastruktur – ganz besonders hinsichtlich der breiten Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger aufgrund der Möglichkeit zur direkten Beteiligung. Die genossenschaftliche Rechts- und Unternehmensform bietet in allen Bereichen der Energie- und Wärmewende weiterhin großes Potenzial. Dazu benötigen die Akteure bestmögliche politische Rahmenbedingungen, für die sich der Baden-Württembergische Genossenschaftsverband (BWGV) gemeinsam mit allen relevanten Akteuren einsetzt.

Weiterentwicklung und Gründung 

Die Förderung bisheriger Geschäftsmodelle ist wesentlich, um die bisherigen Energiegenossenschaften zu unterstützen. Unterstützung bei der Weiterentwicklung ehrenamtlicher Strukturen und Geschäftsmodelle bietet das derzeitige Projekt „Bürger voller Energie“, das der BWGV gemeinsam mit dem Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft und dem Verband der BürgerEnergiegenossenschaften in Baden-Württemberg durchführt. Neben der Weiterentwicklung steht auch die Gründung neuer Initiativen im Fokus. Seit dem 15. Juni 2023 fördert das Umweltministerium das BWGV-Projekt „Genossenschaftlicher Antrieb für eine erfolgreiche Energie- und Wärmewende“, in dessen Zentrum eine öffentlichkeitswirksame Kampagne für potenzielle neue sowie bestehende Genossenschaften steht. 

Wärmenetze – Bau, Ausbau und Betrieb

Besonders im Bereich der Nahwärme steckt derzeit großes Potenzial. Gerade dort, wo bislang keine Wärmenetze vorhanden sind, schaffen Genossenschaften über die direkte Beteiligung der Anwohnerinnen und Anwohner attraktive Bedingungen für den Einstieg in die nachhaltige Wärmeversorgung. In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Gründungsanfragen für eine genossenschaftlich organisierte Wärmeversorgung noch einmal deutlich angestiegen. Nicht zuletzt wird auch die verpflichtende kommunale Wärmeplanung dafür sorgen, dass sich Kommunen und Gemeinden noch stärker Gedanken über die klimaneutrale Wärmeversorgung vor Ort machen müssen.

Kooperation von Unternehmen und Energiegenossenschaften

Durch die Fotovoltaik-Pflicht auf gewerblichen (und privaten) Dachneubauten und -sanierungen stehen insbesondere mittelständische Unternehmen vor der Herausforderung, die Installation und den Betrieb der vorgeschriebenen Anlagen zu bewältigen. Gleichzeitig sind viele bestehende Energiegenossenschaften auf der Suche nach geeigneten Flächen in ihrer Region. In Zusammenarbeit mit den IHKs hat der BWGV eine Initiative gestartet, um beide Seiten zusammenzubringen.

PV-Selbstbaugenossenschaften

Neben dem allgegenwärtigen Mangel an Bauteilen wird der Ausbau zunehmend durch den akuten Fachkräftemangel im Handwerk beschränkt. PV-Selbstbaugenossenschaften können hier eine Lösung bieten. Unter Selbstbau im Bereich der erneuerbaren Energien versteht man beispielsweise die Übernahme von Planung, Vorarbeiten und eher weniger wertschöpfenden Tätigkeiten. Die für das Handwerk wertschöpfenden Tätigkeiten werden weiterhin von den jeweils relevanten Gewerken durchgeführt. Dabei wird sichergestellt, dass sowohl der Arbeitsschutz beim Aufbau als auch die Sicherheit der Anlagen, etwa die Netzzulassung durch einen eingetragenen Installateur, gewährleistet bleibt. Bereits heute gibt es in Genossenschaften erste Schritte in Richtung Selbstbau und Kooperation mit dem Handwerk. Zukünftig könnten durch gut ausgearbeitete Selbstbau-Konzepte das Handwerk, die Energiegenossenschaften wie auch die Energie- und Wärmewende gleichermaßen profitieren.

E-Mobilität – Ladeinfrastruktur & Sharing-Modelle

Bei der dezentralen Umsetzung der Mobilitätswende leisten genossenschaftliche Modelle bereits einen wichtigen Beitrag vor Ort. Während sich große Mobilitätsanbieter auf stark frequentierte Ortschaften, wie Autobahnraststätten, fokussieren, sorgen Energiegenossenschaften vor allem in ländlichen Regionen dafür, dass auch dort die Voraussetzungen für eine Verkehrswende geschaffen werden. Nicht zuletzt zeigt sich dies zum Beispiel im BürgerLadenetz, in dessen Verbund zahlreiche Energiegenossenschaften schon in Ladeinfrastruktur investiert haben. Die zeitgleich notwendige Vernetzung mit dem Thema E-Mobilität findet dann in regional passenden Sharing-Konzepten statt.

Interview mit Thekla Walker

Was treibt Sie an?

Thekla Walker, Ministerin für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg
Thekla Walker, Ministerin für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg

Ich bin sehr gerne draußen und genieße die Natur. Der Erhalt der Artenvielfalt und der Tierschutz sind mir daher auch ein großes politisches Anliegen. Was mich antreibt, ist das Ziel der Nachhaltigkeit. Zugegeben, ein viel gebrauchter und missbrauchter Begriff. Doch das ändert nichts an seiner Botschaft: Wir müssen es schaffen, so zu leben und zu wirtschaften, dass wir unsere Lebensgrundlagen erhalten.

Welchen Bezug haben Sie zu Genossenschaften?

Die Energiewende ist eines meiner zentralen Themen als Ministerin. Die 847 Energiegenossenschaften mit ihren 220.000 Mitgliedern in Deutschland sind ein wesentlicher Treiber des Umstiegs von fossilen auf erneuerbare Energien. Sie bilden lokale Netzwerke, sie erhöhen die Akzeptanz vor Ort. Und vor allem: Sie machen durch ihre Verankerung in der Mitte der Gesellschaft deutlich: Energiewende ist ein Projekt der Bürgerinnen und Bürger, die sich eine nachhaltige Versorgung von Strom und Wärme wünschen.

Was wünschen Sie sich von Genossenschaften?

Treiben Sie die Politik an! Wir profitieren vom Wissen und den praktischen Lösungen der Bürgerinnen und Bürger. Genossenschaften allgemein geben Menschen die Möglichkeit, ihre Ideen gemeinsam zu verwirklichen und ihren Stimmen Gehör zu verschaffen. Energiegenossenschaften im Speziellen sorgen zudem für mehr regionale Wertschöpfung. Der Gewinn aus der Erzeugung von Energie bleibt vor Ort und wird in neue Projekte investiert.

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