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„Mich beeindrucken Begeisterung und Leidenschaft der Weingärtner“ – Interview mit WZG-Vorstandsmitglied Uwe Kämpfer

Württembergischen Weingärtner-Zentralgenossenschaft eG
BWGV

Uwe Kämpfer (50) kam zum 1. November 2019 als Vorstandsmitglied für den Bereich Marketing und Vertrieb zur Württembergischen Weingärtner-Zentralgenossenschaft eG (WZG), Möglingen. Der Diplom-Kaufmann aus Waiblingen, der Führungspositionen in der Lebensmittelindustrie innehatte, trat die Nachfolge des Vorstandsvorsitzenden Dieter Weidmann an, der zum Jahresende 2019 nach 26 Jahren bei der WZG in den Ruhestand ging. Über sein erstes Jahr bei der umsatzstärksten deutschen Genossenschaft im Weinsektor sprach die Geno-Graph-Redaktion im November 2020 mit dem zweifachen Familienvater Uwe Kämpfer.

Herr Kämpfer, die Rechts- und Unternehmensform der eingetragenen Genossenschaft hat ihre Besonderheiten. Da Sie nicht aus dem Genossenschaftslager kamen, drängt sich die Frage auf: Wie gut haben Sie die genossenschaftlichen Strukturen in der Weinbranche aufgenommen?

Für mich war ja nicht nur die genossenschaftliche Struktur, sondern auch die Weinbranche insgesamt neu und es wird auch etwas dauern, bis ich mich auf einem wirklich guten Wissens-Level befinde. Was ich aber auf jeden Fall auch heute schon sagen kann, dass mir der Austausch auf genossenschaftlicher Ebene viel Freude bereitet.

Haben Sie bereits alle Ihre Mitgliedsbetriebe, für die die WZG Bündler für den Lebensmitteleinzelhandel ist, besucht? Wie sind Ihre Eindrücke?

Ich habe in der Tat schon fast alle unsere Mitgliedsbetriebe gesehen. Ich hoffe, sobald es die Pandemie zulässt, auch die restlichen Betriebe besuchen zu können. Für mich war es auf den ersten Blick etwas verwunderlich, dass Struktur und Strategie der Ortsgenossenschaften so unterschiedlich sind. Auf den zweiten Blick macht das dann aber auch wieder Sinn – die Zielgruppen unterscheiden sich zum Teil ja auch deutlich. Grundsätzlich positiv überrascht war ich von der Begeisterung und Leidenschaft, die die Mitglieder unserer Ortsgenossenschaften ausnahmslos ausstrahlen.

Sie haben das Stichwort Corona-Pandemie genannt. In der Pressekonferenz zum Weinherbst 2020 beim WZG-Mitglied Weingärtner Cleebronn-Güglingen eG Anfang Oktober 2020 hatten Sie erwähnt, dass die WZG im Absatz keine Krise verspüre. Das Gegenteil sei der Fall. Worauf führen Sie diese „Sonderkonjunktur“ zurück?

Unter der Corona-Pandemie leidet derzeit insbesondere die Gastronomie. Auch der für viele unserer Mitgliedsbetriebe so wichtige Absatz über Weinfeste und sonstige Events ist praktisch vollkommen zum Erliegen gekommen. Die WZG aber macht mehr als 90 Prozent ihres Umsatzes mit dem Lebensmitteleinzelhandel und dieser profitiert – zumindest was die verkaufte Menge anbelangt – gerade von der aktuellen Situation. Wir sollten daher, trotz einer national umgesetzten Preiserhöhung, unsere Absatzziele zumindest erreichen – eventuell sogar übertreffen.

Planen Sie kurzfristig Änderungen im Eigensortiment, in der Ausstattung, im Marketing?

In der Tat sind wir dabei, unser Sortiment zu überarbeiten. Wir haben vor, im Frühjahr 2021 mit einer neuen Serie, einer Line-Extension sowie einem Relaunch auf den Markt zu kommen. Auch unsere Kommunikation wird sich ändern: Wir werden unsere Marken noch stärker in den Vordergrund stellen und unsere Ausgaben von „Print“ zu „Digital“ umschichten.

Blicken wir auf die Gesamtsituation der württembergischen genossenschaftlichen Weinerzeugung: Welche Absatzwege gewinnen, welche verlieren an Bedeutung?

Durch die Pandemie bedingten Restriktionen leidet insbesondere der Fachhandel, wohingegen der Absatz über den Lebensmitteleinzelhandel und insbesondere der Online-Handel an Bedeutung gewinnen konnten. Ich gehe auch nach Ende der Pandemie davon aus, dass ein Teil der Konsumenten, die jetzt erstmalig „online“ gekauft haben, auch zukünftig online kaufen wird.

Wie wird Ihrer Einschätzung nach der deutsche Weinmarkt, der hart umkämpft ist, in zehn Jahren aussehen? Welche Rolle spielt da Württemberg?

Der Wettbewerbsdruck auf dem deutschen Weinmarkt wird unverändert hoch bleiben, weil einerseits die Einstellung vieler Verbraucher zu alkoholhaltigen Getränken immer kritischer wird, das Gesamtmarktvolumen weiter abnehmen wird und das Angebot aus der ganzen Welt weiter zunimmt. Schon heute kommt mehr als jede zweite in Deutschland verkaufte Flasche Wein aus dem Ausland. Württemberg hat derzeit einen Anteil am deutschen Weinmarkt von rund 5 Prozent. Wenn dieser Anteil gehalten oder noch besser ausgebaut werden soll, müssen wir mehrgleisig fahren: Zum einen können wir im Kernabsatzgebiet mit unseren bekannten und beliebten Produkten punkten, im restlichen Teil Deutschlands hat Württemberg, was die Bekanntheit unseres Weins anbelangt, allerdings noch Nachholbedarf. Hier gilt es daher, zum einen unser Anbaugebiet bekannter zu machen, zum anderen aber Marken zu kreieren, die national bekannt und verfügbar sind. Letzteres sehe ich insbesondere als Aufgabe der WZG.

Werfen wir den Blick wieder zurück auf die Gegenwart, auf die Bestände in den Kellern. Wie geht ein Vertriebsprofi und Marketingfachmann mit der Tatsache um, dass vom Jahrgang 2020 so wenig Menge in den Fässern heranreift wie wohl noch nie?

In der Tat haben wir es beim Jahrgang 2020 in Württemberg mit einem zwar qualitativ sehr guten, aber mengenmäßig sehr kleinem Jahrgang zu tun. Mit Abschlägen von bis zu 40 Prozent bei einigen Rebsorten sind wir gezwungen, unser Sortiment anzupassen. Wir werden einige Artikel, insbesondere im Weißweinbereich, im nächsten Jahr nicht mehr liefern können.

Normalerweise müssten, um die geringe Absatzmenge und die damit ansteigenden Fixkosten pro Flasche zu kompensieren, die Preise deutlich erhöht werden. Da die WZG aber mehr als die Hälfte ihres Absatzes außerhalb des Kernabsatzgebiets tätigt und es im übrigen deutschland- oder auch weltweit gesehen 2020 eine größere Lese als 2019 gab, ist das so nicht umsetzbar. Denn unsere Wettbewerber haben eher das Problem von Überkapazitäten und werden entsprechend preisaggressiv auftreten. Wir müssen daher versuchen, unsere Markenprodukte – mit denen wir höhere Erträge als mit unseren Basisweinen erzielen – zu pushen, um so zumindest einen Teil der erntebedingten Ausfälle kompensieren zu können.

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