Springe direkt zum Inhalt , zum Menü .

Vom Mitarbeitenden zum verantwortlichen Mitglied: Nachfolgemodell Genossenschaft

Genossenschaftliches Nachfolgemodell
BWGV-Archiv

/

Die Frage der Unternehmensnachfolge muss sich jede(r) Inhaber(in) beziehungsweise Geschäftsführer(in) einer Bäckerei oder Konditorei irgendwann stellen. Aber auch mit zeitlichem Verlauf findet sich oftmals keine zufriedenstellende Lösung. Ursachen dafür sind unter anderem der demografische Wandel, wirtschaftliche Rahmenbedingungen mit steigendem Konkurrenzdruck für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) sowie die geänderten Ansprüche an die Gestaltung der persönlichen Lebensumstände – junge Menschen wollen sich zum Teil der Verantwortung einer Selbstständigkeit nicht mehr aussetzen oder sie sehen ihre berufliche Zukunft eher in der Gründung eines Start-ups.

Die familieninterne Nachfolge wird gerade im Bäckerhandwerk häufig präferiert, oft findet sich aber kein passender Nachfolger in der Verwandtschaft. Laut einer Schätzung der KfW Research (2022) werden bis 2025 rund 266.000 mittelständische Unternehmen ohne Nachfolgeregelung stillgelegt. Dazu kommen weitere 199.000 Unternehmerinnen und Unternehmer, die sich bis Ende des Jahres 2025 eine Nachfolgeregelung wünschen, aber noch keinen passenden Nachfolger in Aussicht haben.

Bei der Suche nach den Gründen für Unternehmensschließungen von KMU werden vor allem zwei Hauptursachen identifiziert, die für zirka 50 Prozent der Stilllegungen anzuführen sind: das Erreichen des Rentenalters der Inhabenden und das fehlende Interesse von Familienangehörigen an der Übernahme. Gibt es neben der Schließung ergo nur die Möglichkeiten, einen Fremdgeschäftsführer ins Haus zu holen oder zu verkaufen?

Genossenschaft als Lösung

Einen zukunftsfähigen und unkomplizierten Lösungsansatz kann in einer solchen Situation die Rechts- und Unternehmensform der eingetragenen Genossenschaft (eG) bieten. Die Unternehmensübergabe im Rahmen einer Genossenschaftsgründung folgt den üblichen Vorgaben des Genossenschaftsgesetzes: Mindestens drei Personen übernehmen das Unternehmen und zeichnen gemeinsam für dessen Erfolg verantwortlich, wobei die Verantwortung auf mehrere Schultern verteilt werden kann. Auch die Finanzierung des Kaufpreises wird so für die potenziellen Gründungsmitglieder deutlich leichter realisierbar. Unter der Prämisse einer zeitlich definierten Teilhabe des bisherigen Eigners am Umsatz des Unternehmens besteht zudem die Möglichkeit, einen vergleichsweise geringen einmaligen Kaufpreis zu vereinbaren.

Auch in sozialer Hinsicht bietet die genossenschaftliche Unternehmensnachfolge Vorzüge. So kann der bisherigen Unternehmensführung die Chance eines schrittweisen Rückzugs eröffnet werden, beispielsweise als Mitglied des Aufsichtsrats der eG oder als Berater für das Unternehmen im Angestelltenverhältnis. Auch für die neuen Unternehmer bringt diese Herangehensweise Vorteile mit sich. So kann vom Erfahrungsschatz des ehemaligen Geschäftsleiters profitiert werden – und natürlich ist der Arbeitsplatzerhalt ein positiver Aspekt. Gleichzeitig können die Mitarbeitenden als Mitglieder der Produktivgenossenschaft über die Dividende auch am Erfolg teilhaben – ein Motivationsschub für die Belegschaft.

Außerdem ergeben sich in finanzieller Hinsicht diverse Vorteile, wie Dr. Michael Roth aus dem MitgliederCenter des BWGV hervorhebt. Da eine Übernahme oder Nachfolge trotz Interesse oft an fehlendem Kapital scheitern, kann man dies mithilfe besserer Förderung der Mitarbeiterbeteiligung erreichen. Als weiter Vorzüge für Mitglieder und Geschäftsführer sind zu nennen:

  • Die Auszahlung einer zeitlich befristeten Dividende an den bisherigen Eigentümer als Teil der Ablösesumme bietet mehr Flexibilität im Hinblick auf die Liquidität zum Übernahmezeitpunkt.
  • Die Mitglieder entscheiden gemeinsam über den Einsatz des investierten Kapitals; der Vorstand trifft die geschäftsführenden Entscheidungen.
  • Die Haftung der Genossenschaft ist beschränkt, eine Nachschusspflicht meist ausgeschlossen.
  • Neueintritte und Austritte sind dank des variablen Genossenschaftskapitals ohne Notar oder Registergericht möglich.
  • Dividenden können zur Ansparung weiterer Genossenschaftsanteile eingesetzt werden.
  • Überschuss kann in die Weiterbildung der Mitglieder investiert werden.

„Insgesamt erlaubt die Genossenschaft einen langfristig planbaren, sukzessiven Übergangsprozess, der dem Unternehmen und den Mitarbeitenden entgegenkommt“, unterstreicht Roth. Zu klären sei dabei, wie aktiv oder passiv die Rolle der neuen Mitglieder definiert wird, welche Arbeitsteilung angestrebt wird und welche Rolle der bisherige Eigentümer künftig spielt; dieser Rollenwechsel müsse gut bedacht werden.

Moderne Unternehmensform

Die Genossenschaft bietet als Rechtsform die Möglichkeit der demokratischen Mitwirkung aller Beschäftigten und ermöglicht daher ein modernes Unternehmens- und Organisationsverständnis. Folgende Vorzüge lassen sich besonders hervorheben:

  • Bisherige Mitarbeitende können gemeinsam die Nachfolge antraten, ihre finanziellen Möglichkeiten bündeln und ihre Arbeitsplätze erhalten.
  • Zusätzlich kann ein vergleichsweise geringer einmaliger Kaufpreis kombiniert werden mit einer zeitlich definierten Teilhabe des bisherigen Eigners am Umsatz des Unternehmens.
  • Es besteht die Möglichkeit eines langsamen Rückzugs für den ausscheidenden Unternehmer, beispielsweise als Aufsichtsratsmitglied der Genossenschaft.

„Erste Erfahrungen mit genossenschaftlich organisierten Übergaben sind vielversprechend und zeigen, dass sich das genossenschaftliche Modell als interessante Perspektive etablieren könnte“, zieht Roth eine Zwischenbilanz. Dies habe sich auch schon bei der Umsetzung in Handwerksunternehmen gezeigt.

Viele Gewinner

Die Gründung einer Genossenschaft kann eine Win-Win-Situation für alle Seiten darstellen: die Mitarbeitenden, den bisherigen Inhaber und die Kunden. Eine frühe Einleitung des Prozesses bietet die Chance, den oder die potenziellen Nachfolger umfassend auf die neuen Aufgaben vorzubereiten.

Der Fortbestand mittelständischer Unternehmen in der Rechts- und Unternehmensform einer eG wir auch von politischer Seite unterstützt, da Genossenschaften aufgrund ihrer nachhaltigen und langfristig angelegten Orientierung wertvoll für die Stabilität der Wirtschaft sind. Parallel zu Nachfolgegründungsanfragen werden zunehmend Genossenschaftsgründungen als Zusammenschluss einzelner Handwerksbetriebe angefragt, um hier Kräfte zum Beispiel in Bezug auf Verwaltung, Einkauf und Personalplanung zu bündeln. Konkrete Maßnahmen der Politik, um diese positive Entwicklung weiter zu unterstützen, sollten unter anderem eine stärkere Integration der eG in die Gründungs-/Nachfolgeinformation und die staatliche Förderung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung im Rahmen von Unternehmensnachfolgen sein.

Fachliche Unterstützung bieten neben der genossenschaftsspezifischen Beratung durch den BWGV (Gründungsgutachten) und die BÄKO unter anderem die Wirtschaftsministerien; auch die Industrie- und Handelskammern sowie die Handwerkskammern stehen mit Rat und Tat bereit.

Artikel versenden