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Internet-Breitbandausbau: Möglichkeiten für Genossenschaften

Internet-Breitbandausbau
Markus Vogelbacher_pixelio.de

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Die Bundesregierung plant mit ihrer Digitalen Agenda einen flächendeckenden Zugang zum Hochgeschwindigkeits-Internet bis zum Jahr 2018. Die Kosten für eine bundesweite Abdeckung werden auf 20 Milliarden Euro geschätzt. Laut Angaben von Telekom und anderen Vertretern der Telekommunikationsbranche rechnet sich der Ausbau in ländlichen Regionen oft nicht.

Breitbandstrategie des Landes Baden-Württemberg

Bei einer Abdeckung der Grundversorgung von 2 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) zu 99 Prozent ist seit 2012 eine flächendeckende Breitbandversorgung mit „schnellem Internet“ das erklärte Ziel der Landesregierung Baden-Württemberg. Die Definition von dem, was in diesem Zusammenhang als „schnell“ bezeichnet wird, variieren hierzulande zwischen 25 und 50 Mbit/s – in der Digitalen Agenda der EU ist bisweilen von 100 Mbit/s die Rede.

Mit der Breitbandinitiative II setzt die grün-rote Landesregierung nun auf die Unterstützung interkommunaler Kooperation und den Ausbau der Zukunftstechnologie Glasfaser, um dem Trend nach steigenden Bit-Raten auch langfristig standhalten zu können. Zu diesem Zweck wurden die Fördermittel für den Breitbandausbau von bisher jährlich 11,7 Millionen Euro (2013/2014) auf 31,7 Millionen Euro in 2015/2016 fast verdreifacht. Zudem wurden im Juni noch einmal zusätzliche 40 Millionen Euro von Sondermitteln des Bundes für die Kommunen von der Landesregierung für den Breitbandausbau für die Haushaltsjahre 2015 bis 2018 bereitgestellt.

Herausforderungen für Kommunen

Ihr Hauptaugenmerk legt die Landesregierung mit ihrer Breitbandinitiative II vor allem auf den ländlichen Raum. Ein Drittel der Bevölkerung sowie ein Drittel der Wirtschaftsfläche in Baden-Württemberg liegt im ländlichen Raum, so Landwirtschaftsminister Alexander Bonde bei der Auftaktveranstaltung „Digital in der Fläche“ im März dieses Jahres. Seine Einschätzung der aktuellen Trends: Die fortschreitende Digitalisierung verändert Lebensgrundlagen. Daher muss dort, wo ein marktgetriebener Aufbau nicht funktioniert, ein staatliches Korrektiv zur Gewährleistung der Daseinsvorsorge eingesetzt werden. Kommunen können in Baden-Württemberg folglich dann tätig werden, wenn ein „Marktversagen“ eintritt. Das heißt, wenn sich beispielsweise innerhalb von drei Jahren kein privatwirtschaftliches Unternehmen für den Ausbau des Breitbandnetzes gefunden hat.

Gerade in ländlichen und weniger dicht besiedelten Gebieten besteht gerade für die großen Telekommunikationsunternehmen kein marktwirtschaftlicher Anreiz in hochleistungsfähige Breitbandnetze zu investieren, da der Ausbau mit hohem finanziellem Risiko und langen Amortisationszeiten verbunden sein kann. Mit diesem Tatbestand stehen nun viele Kommunen mit dem Ausbau ihrer Breitbandinfrastruktur vor völlig neuen Aufgaben. Herausforderungen ergeben sich einerseits aus technischen, topografischen und baulichen Fragen sowie hinsichtlich Kooperations- und Finanzierungsmodellen bei der Umsetzung.

Standortfaktor Datenautobahn: Anforderungen von privaten Haushalten und der Wirtschaft

Für viele Unternehmen ist eine schnelle Datenverbindung als Standortfaktor ebenso bedeutend wie Gewerbeflächen oder die Verkehrsinfrastruktur. Die digitale Wirtschaft wächst siebenmal so schnell wie alle übrigen Sektoren. Auch bei der Wohnortsuche im privaten Bereich ist die Anbindung an ein schnelles Internet bereits häufig ein ausschlaggebender Aspekt bei der Auswahl. Die „kritische Grenze“ bei der Internet-Geschwindigkeit für wirtschaftliche Nutzung wird laut der Europäischen Digitalen Agenda derzeit auf 30 Mbit/s geschätzt. In Deutschland haben nach Angaben des Statistischen Bundesamts allerdings nur ein Viertel der Unternehmen Internetzugang mit dieser oder einer höheren Geschwindigkeit. Damit liegen wir nur knapp über dem EU-Durchschnitt (25 Prozent). Spitzenreiter ist Dänemark mit 53 Prozent, gefolgt von Belgien und den Niederlanden mit jeweils rund 44 Prozent. Baden-Württemberg liegt im bundesweiten Vergleich im Durchschnitt. Was die Versorgung des Mittelstands angeht, so schätzt der Baden-Württembergische Handwerkstag (BWHT), dass bis zu 6.500 Handwerksbetriebe (vor allem auf der Schwäbischen Alb und im Schwarzwald) vom Hochgeschwindigkeitsinternet abgeschnitten sind.

Entwicklung des Breitbandbedarfs für Unternehmen auf dem Land
  • Etwas mehr als die Hälfte der Unternehmen hatte 2013 einen Breitband-Bedarf von über 25 Mbit/s.
  • Bis zum Jahr 2018 haben 87 Prozent der Unternehmen einen Bedarf von über 25 Mbit/s.
  • Der durchschnittliche Breitbandbedarf betrug bei Vollbetrieb 2013 rund 54 Mbit/s und wird für 2018 auf rund 169 Mbit/s steigen: eine prognostizierte Verdreifachung innerhalb von fünf Jahren.
  • Der Breitbandbedarf am Unternehmensstandort hängt stark von der Zahl der Mitarbeiter (Betriebsgröße) ab.
  • Die Branche ist beim Breitbandbedarf auch von Bedeutung, muss aber im Kontext der Betriebsgröße betrachtet werden.

Quelle: Untersuchung des Bedarfs von Glasfaseranschlüssen der Wirtschaft im Land Baden-Württemberg 2013/2014 – Auswertung einer Unternehmensbefragung in Baden-Württemberg 2013/2014

Gerade im geschäftlichen Umfeld gibt es eine Vielzahl von aktuellen Trends, die zu einer steigenden Internetnutzung führen, wie beispielsweise:

  • interaktive Homepages für Kunden/Lieferanten/Mandanten/Patienten
  • verstärkte Internetnutzung für Recherche, Marktbeobachtung
  • Nutzung von speziellen Datenbanken und Fortbildungsportalen
  • Bereitstellung von Internetzugängen in der Gastronomie- und im Hotelgewerbe
  • Up- und Download von hohen Datenmengen für Planungsprojekte beispielsweise im Baubereich
  • verstärkte Aktivitäten im Online-Handel
  • Auslagerung von Daten in Clouds
  • umfangreiche Back-ups und branchenspezifische Software-Updates
  • verstärkter Austausch/Nutzung von hoch auflösenden audiovisuellen Inhalten, Webkonferenzen
  • Zusammenarbeit und Vernetzung von Unternehmensstandorten mittels virtuellen Unternehmensnetzwerken (VPN)
  • landwirtschaftliche Anwendungen, wie beispielsweise Austausch mit Abnehmern und Lieferanten, Online-Flächenverwaltung oder Vieh-/Milchdatenbank.

Auch im privaten Nutzungsverhalten führen Trends wie die Nutzung von Cloud-Diensten, der zunehmende mobile Datenverkehr oder das Internet-TV zu einer raschen Zunahme des Bitbedarfs.

Handlungsspielräume für Genossenschaften

Sollten unterversorgte Kommunen sich nun zu einem Breitbandausbau entschließen, gilt es geeignete Geschäfts- und Unternehmensmodelle zu identifizieren. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) weist in seiner Digitalen Agenda des vergangenen Jahres Genossenschaften beim Breitbandausbau explizit als Rechtsform und Möglichkeit für eine bürgernahe Projektentwicklung aus. Darüber hinaus bleibt zu erwägen, ob diese Unternehmung aus rein öffentlicher Hand, beispielsweise als Zusammenschluss mehrerer Kommunen, zu etablieren ist oder ob man privatwirtschaftliche Partner, etwa in Form einer Private Public Partnership (PPP), mit an Bord holt. Auch in dieser Konstellation können Genossenschaften eine gute Wahl bei der Rechtsform sein, solange der Kommune in der Genossenschaftssatzung ein angemessener Einfluss zugestanden wird.

Ein genossenschaftlicher Breitbandausbau lohnt sich gerade dort, wo Großunternehmen nicht in die Zukunftstechnologie Glasfaser investieren, um so eine langfristige und zukunftsorientierte Standortsicherung zu gewährleisten. Glasfaserausbau wird sowohl von der baden-württembergischen Landesregierung als auch der frisch EU-notifizierten Förderrichtlinie ausdrücklich unterstützt und ist gleichzeitig die bevorzugte Ausbautechnologie vieler Kommunen. Die Höhe der Förderzuwendungen für ein Einzelvorhaben ist auf 750.000 Euro begrenzt. Zuwendungsempfänger sind sowohl Kommunen als auch Zusammenschlüsse von Kommunen und Landkreisen. Nach einer intensiven Machbarkeits- und Marktanalyse, um die Ausbaukosten in etwa abschätzen zu können, kann die Genossenschaft beim Breitbandausbau beispielsweise als Eigentümerin der Netzinfrastruktur fungieren und vermietet die Netzinfrastruktur an einen (oder mehrere) Netzbetreiber.

Breitbandausbau – drei Genossenschaftsmodelle haben Potenzial:

  • Modell 1 – Netzfinanzierung: Die Kosten für die Verlegung können über Geschäftsanteile gedeckt werden.
  • Modell 2 – Netzeigentum und -ausbau: Sollte das Netz durch eine genossenschaftliche Eigentümerstruktur ausgebaut werden, sind die Kunden gleichzeitig auch Eigentümer. Dies sichert einen hohen Beteiligungsgrad.
  • Modell 3 – Netzbetrieb: Die Genossenschaft kann als Betreiber der Netze fungieren und damit den Betrieb vor Ort verankern und die Wertschöpfung vor Ort sichern.

Die Vorfinanzierung der Machbarkeits- und Marktanalyse ist allerdings für viele Kommunen das erste große Hindernis in der Umsetzung ihrer Ausbaupläne. Und auch für Genossenschaften präsentieren sich hier vor allem finanzielle Hürden, die oft nur durch Fördermittel überwunden werden können. In anderen Bundesländern werden daher (Pilot-)Studien der Landesregierungen geprüft, um auf die Möglichkeiten der Genossenschaften im Breitbandausbau hinzuweisen und Lösungsanregungen zu schaffen. Hier liegt der Fokus von Genossenschaftsgründungen vor allem auf den Breitbandausbau in Gewerbebieten. Der Rheinische-Westfälische Genossenschaftsverband (RWGV) betreut beispielsweise derzeit zwei Gründungen in diesem Bereich, darunter ein interkommunales Kooperationsunternehmen. In Baden-Württemberg ist die Suche nach Lösungen für den Breitbandausbau in ländlichen Räumen im vollen Gang. Einen allgemeingültigen Ansatz, der sich für jede Kommune eignet, gibt es dabei nicht. Die Genossenschaft kann aber eine tragfähige Alternative zu den gängigen Rechtsformen bei der Umsetzung eines Projekts sein, die bürgernah und zukunftsorientiert ist.

Vectoring versus Glasfaser

Der entscheidende Unterschied zwischen den beiden Technologien besteht in der Leistungsfähigkeit. Unter günstigen Bedingungen lassen sich mit dem Vectoring maximale Download-Geschwindigkeiten zwischen 50 und 100 Mbit/s erreichen. Die Kupferkabeltrassen, die in dieser Technologie verwendet werden, lassen sich später noch einmal für den Glasfaserausbau verwenden, was wiederum eine erneute Einnahmequelle für private Netzwerkbetreiber bedeutet. Mit Glasfaseranschlüssen (FTTB: Fibre to the building) sind heute bereits Übertragungsraten von 400 GBit/s realisierbar. Unterschiede bestehen auch beim Download (Empfangen) und Upload (Versenden) von Daten. Während FTTB symmetrische Down- und Upload-Geschwindigkeiten verspricht, sind die Download-Geschwindigkeiten beim Vectoring in der Regel höher. Diese Faktoren haben Auswirkungen auf den Preis, so kostet ein Glasfaseranschluss im Durchschnitt 2.400 Euro pro Kunde. Die Kosten unterscheiden sich zudem auch regional: in Ballungsgebieten betragen die Kosten 1.000 Euro pro Kunde; in schwach besiedelten Regionen belaufen sich diese auf 4.000 Euro pro Anschluss. Ein VDSL-Vectoring-Anschluss kostet demgegenüber nur 550 Euro beziehungsweise in Gebieten mit hoher Bevölkerungsdichte 300 Euro. Mit der Vectoring-Technologie können in naher Zukunft schnell Netze aufgebaut werden, die für die meisten privaten Kunden zufriedenstellend sein werden, allerdings ist deren Leistungskraft in Anbetracht des steigenden Bedarfs nur von kurzfristiger Halbwertzeit. Für die Wirtschaft sind die durch Vectoring zu erreichenden Übertragungsraten langfristig nicht ausreichend.

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