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Wirtschaft vor Ort: Perspektiven für genossenschaftliche Lösungen

Kommunalwirtschaft
birgitH / pixelio.de

Im Rahmen kommunaler Kooperationen können Genossenschaften eine Alternative zu bestehenden Modellen darstellen und zugleich Synergien in Kommunen nutzbar machen. Genossenschaften verfolgen ein gemeinsames Ziel und richten darauf ihren Geschäftsbetrieb aus. Werte wie Subsidiarität, Selbsthilfe, Selbstbestimmung, Selbstverantwortung und die Identität von Eigentümern und Kunden gelten als leitende Prinzipien. Obwohl der genossenschaftliche Förderzweck im Vordergrund ihrer Tätigkeit steht, sind Genossenschaften dennoch zu betriebswirtschaftlicher Effizienz verpflichtet. Daher ist gerade dieses Unternehmensmodell für kommunale Zusammenarbeit besonders geeignet, um einen bestehenden Bedarf zu erkennen.

Schon heute gibt es eine Anzahl kommunaler Einrichtungen wie zum Beispiel Schwimmbäder, Kindergärten und Gemeindehäuser, die als Genossenschaft organisiert sind, um Bürger zu beteiligen, wirtschaftlich zu stärken und das Leben vor Ort weiterhin attraktiv zu gestalten. Die Aktivierung bürgerschaftlicher Kräfte auf der einen, aber auch die die passenden Antworten auf gesamtgesellschaftliche Herausforderungen zu finden auf der anderen Seite: Beides sind Ziele eines genossenschaftlichen Engagement im kommunalwirtschaftlichen Bereich.

Genossenschaft als Lösung für Folgen des demografischen Wandels

Biowärme Ersingen eG: Die Macher des Projekts Genossenschaft auf der Fernwärme-Pipeline, die den Kämpfelbacher Ortsteil Ersingen mit Wärme versorgt.
Biowärme Ersingen eG: Die Macher der Genossenschaft auf der Fernwärme-Pipeline, die den Kämpfelbacher Ortsteil Ersingen mit Wärme versorgt.

Die wichtigsten Zukunftsthemen für die Gemeinden stehen im Zusammenhang mit demografischen Entwicklungen: Alterung, Wegzug junger Menschen aus den ländlichen Räumen und einem allgemeinen Bevölkerungsrückgang. Hieraus ergeben sich nicht nur für den ländlichen Raum infrastrukturelle Herausforderungen im Bereich der ärztlichen Versorgung, dem Zugang zu schnellem Internet und öffentlichen Nahverkehr, Betreuungsmöglichkeiten für Senioren, aber auch für Kinder und die Wahrung von Bildungschancen. Energiegenossenschaften sind darüber hinaus zu einer wichtigen Kraft in der Umsetzung der Energiewende geworden.

Bei diesen zentralen Themen können Genossenschaften die Lösung sein:

Ärztliche Versorgung und Notfallversorgung

Immer mehr Hausärzte – gerade im ländlichen Raum – sind heute schon älter als 60, immer weniger finden Nachfolger für Ihre Praxen. Genossenschaften bieten Alternativen zu herkömmlichen Hausarztpraxen und können den Arzt-Beruf fit für die Zukunft machen: Praxisgenossenschaften bieten flexible Arbeitszeiten, Möglichkeiten zur Teilzeitbeschäftigung, Angestelltenverhältnisse und geteilten Verwaltungsaufwand. Kommunale Genossenschaften könnten überdies Praxisräumlichkeiten zur Verfügung stellen. Erfolgreiche Modellversuche gibt es bereits in anderen Bundesländern, allerdings noch nicht in Baden-Württemberg. Mobile Praxen oder mobile ärztliche Notdienste können darüber hinaus einen Beitrag zur Notfallversorgung vor allem im ländlichen Raum leisten. Auch das wird bereits erprobt und könnte sich auch in Baden-Württemberg bewähren.

Internet-Breitbandversorgung

Bei einer Abdeckung der Grundversorgung (1 Mbit/Sekunde) zu 99 Prozent ist seit 2012 eine flächendeckende Breitbandversorgung mit schnellem Internet das erklärte Ziel der baden-württembergischen Landesregierung. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur weist Genossenschaften beim Breitbandausbau explizit als Rechtsform und Möglichkeit für eine bürgernahe Projektentwicklung aus. Kommunen können in Baden-Württemberg dann tätig werden, wenn hier ein „Marktversagen“ eintritt, das heißt, wenn sich innerhalb von drei Jahren kein privatwirtschaftliches Unternehmen für den Ausbau des Breitbandnetzes gefunden hat. Die Genossenschaft kann dann beispielsweise Eigentümerin der Netzinfrastruktur sein und vermietet die Netzinfrastruktur an einen (oder mehrere) Netzbetreiber beziehungsweise Provider. In anderen Bundesländern liegen in diesem Bereich bereits erste Gründungsanfragen vor, jedoch noch nicht in Baden-Württemberg.

Kinderbetreuung und Seniorenversorgung

Unter dem Überbegriff der Familiengenossenschaften entwickelt sich eine Bandbreite von Genossenschaften, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf unternehmensnah ermöglichen. Hierzu gehören zum Beispiel Genossenschaften, welche eine überbetriebliche Kinderbetreuung organisieren oder haushaltsnahe Dienstleistungen anbieten. Erste Pilotmodelle wurden dieses Jahr bereits in anderen Bundesländern gestartet, aber noch nicht in Baden-Württemberg.

Dafür gibt es erfolgreich operierende, privat organisierte Genossenschaften wie beispielsweise die Waldorf-Kindertagesstätte in Gengenbach. Neben der Kinderbetreuung spielt gerade auch im ländlichen Raum die Versorgung von Senioren eine gesteigerte Rolle. Seniorengenossenschaften schließen auf unterschiedliche Weise Versorgungslücken für ältere Menschen und tragen so dazu bei, dass diese eigenständig bis ins hohe Alter in ihrem vertrauten Umfeld leben können. Ein anderes Beispiel für eine Seniorengenossenschaft in Baden-Württemberg ist die WoGA Pfullendorf eG – Wohnen  und Gesundheit im Alter. Als Eigentümer und Bauherr eines altersgerechten Gebäudes bietet die WoGA Menschen die Möglichkeit, im Alter selbstbestimmt zu wohnen.

Bildung

Genossenschaften können in der bestehenden Bildungslandschaft eine wertvolle Ergänzung darstellen. Beispielhaft sind genossenschaftliche Bildungseinrichtungen für Kinder und Jugendliche mit individuellem Förderbedarf. Die  Fördermöglichkeiten  und Mitspracherechte in einer genossenschaftlichen Schulform gehen über die üblichen Möglichkeiten weit hinaus und ermöglichen entsprechend den Schülern, aber auch Eltern und Unterstützern mehr Einfluss auf die Gestaltung der Schule zu nehmen. Das Peter-Härtling Gymnasium in Nürtingen ist seit nunmehr acht Jahren ein erfolgreiches Beispiel in Baden-Württemberg für die Umsetzung eines solchen Unternehmens.

Gleichermaßen sind Genossenschaften in der überbetrieblichen Aus- und Weiterbildung modellhafte Konzepte, die besonders bei sehr spezialisierten Ausbildungswegen zum Tragen kommen können. Beispielhaft ist hier die Ausbildungsgenossenschaft für Dienstleistungsgärtner Baden eG. Als Dienstleister im wichtiger werdenden Bereich der Friedhofskultur greift sie Probleme des demografischen Wandels auf und bietet die bestmögliche Qualifikation für die Berufslaufbahn im Friedhofsgartenbau. Dabei wird das Ausbildungspotenzial der Friedhofsgärtner gebündelt und somit dieser Berufszweig nachhaltig gestärkt und dies mittlerweile sogar in einem länderübergreifenden, deutsch-französischen Ansatz.

Weiler Wärme eG

Mobilität

Nachhaltige Mobilität ist ein Thema, das derzeit das Land stark beschäftigt. Die Schlagworte und Anforderungen an die Infrastruktur unterscheiden sich stark zwischen Stadt und Land. Genossenschaften sind sowohl in Bereich von Bürgerbussen, Car- oder Bike-Sharing und anderen alternativen Mobilitätskonzepten denkbar. Überdies können in der  Zusammenarbeit mit bestehenden Energiegenossenschaften Synergieeffekte genutzt werden, wie dies bereits von der Weiler Wärme eG in Pfalzgrafenweiler mit ihrem Projekt Weiler-e-mobil praktiziert wird. Der Ausbau von E-Bike-Ladestationen und Elektro-Trankstellen zeigt hierbei besonderes Potenzial.

Weiler Wärme eG: Wir wollen den Zweitwagen ersetzen
Die Weiler Wärme eG, Pfalzgrafenweiler, setzt auf das Teilen von Elektroautos als optimale Speicher, um den selbst produzierten Strom auch in Zeiten geringen Bedarfs sinnvoll nutzen zu können.

Energieversorgung- und -effizienz

Die Genossenschaften setzen vor Ort die Energiewende mit konkreten Projekten um. Schwerpunkte sind bisher noch Projekte im Bereich Solarenergie. Aber auch Nahwärmenetze, Blockheizkraftwerke oder Effizienzprojekte gewinnen zunehmend an Bedeutung. Die Energiegenossenschaften in Baden-Württemberg haben in den vergangenen Jahren eine beachtliche Leistung in der Entwicklung von Geschäftsmodellen zur Integration von Strom aus erneuerbaren Energien in den bestehenden Energiemarkt erbracht. Dabei spielt vor allem die regionale Vermarktung von Strom und Wärme eine herausragende Rolle für die dezentralen Akteure.

Ein wichtiges Entwicklungsfeld ist aus Sicht des BWGV die Nahwärme. Hier besteht noch großes Potenzial. Die Wertschöpfung ist dabei stark regional und es geht ein wesentlicher Impuls für die kommunale Infrastruktur beim Ausbau der Nahwärmenetze aus. Gleichermaßen haben Genossenschaften im Energiebereich das Geschäftsfeld in den vergangenen Jahren weiterentwickelt und innovative Konzepte zur Energieeinsparung an den Markt gebracht. Besonders die neuen Felder im Einsparcontracting finden sowohl im verarbeitenden Gewerbe als auch im stationären Einzelhandel weitreichenden Anklang.

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